Es ist Sonntag, 27. April 2008, 18.15 Uhr, im Katharinenhospital. Er ist einfach nicht mehr aufgewacht. Schnell kehrt der Krankenhausalltag wieder ein. Das Bett muss raus, der Tote gewaschen werden. Natürlich darf man das nicht selber tun. Die Vorschrift lautet, dass das eine Krankenschwester machen muss. Wir holen die Blumen und Achims Madonnenstatue aus dem Krankenzimmer und setzen uns um das Bett. Kerzen gibt es im Krankenhaus nicht. Wir nehmen Abschied. Wir reden mit ihm. Wir fassen ihn an und streicheln ihn. Ein Kuss auf den Kopf.
Es sind außer den Eltern etliche Freunde und Freundinnen anwesend. Silvia, die treue Seele, die täglich Stunden am Krankenbett ausgeharrt hat, schlägt vor, ein Vaterunser zu beten. Ich sage Achim Texte aus seinem so sehr geliebten Deutschen Requiem von Johannes Brahms. Singen kann niemand, deshalb bete ich den Choral „Wenn ich einmal soll scheiden“. Thomas kommt mit einem Rosenkranz und einer Kerze, spricht ein Totengebet.
Nun klärt uns die diensthabende Ärztin auf, dass Achim von der Station muss. Im Untergeschoss gibt es einen Raum. Auf meine Frage hin, natürlich kein Kühlraum. Es seien dort nur hygienische Temperaturen. Dass es einen Abschiedsraum gibt, weiß die Ärztin nicht.
Ich bin den Eltern unendlich dankbar, dass sie einverstanden sind, Achim in seine Wohnung überführen zu lassen. Er liegt auf seinem Bett. Er hat warme Wollsocken an und ist mit seiner flauschigen Decke zugedeckt. Wo er doch immer so gefroren hat. Eine Kerze brennt. Er hört noch sein Requiem. Selig sind, die da Leid tragen… Genau vor einer Woche hat er dieses Stück noch in Pforzheim gehört.
Werner hat eine Flasche Wein gebracht, die wir gemeinsam trinken. Wir reden mit Achim und halten Totenwache. Dort liegt er noch bis zum übernächsten Tag. Freunde und Freundinnen kommen, um sich leise zu verabschieden. Viele sprechen noch ein letztes Gebet. Gerhard spielt ihm mit dem Cello Bachchoräle vor. Trubel hätte er hier nicht gemocht.
So wird er beerdigt werden: warm zugedeckt und mit warmen Socken. Seine Madonnenstatue, ein Bild von seiner Polly und die kleinen Geschenke und Blumen sind mit im Sarg. Dankbar bin ich für die Zeit, die ich im Krankenhaus noch bei ihm sein durfte. Dankbar bin ich dafür, dass ich dort bei der Körperpflege mithelfen durfte. Dankbar bin ich vor allem unserem Freund und Nachbarn Werner, Silvia und Toni und natürlich Frank. Sie waren täglich da. Danke Dir, lieber Thomas. Danke Frau Dr. Clement, die mich nie abgewiesen hat, wenn im Krankenhausalltag keine Zeit war. Danke allen Freunden und Freundinnen, die gekommen sind und gebetet haben.
Achim, nun können wir Dich nur noch auf Deinem letzten Gang begleiten. Ich danke sehr Deinen Eltern, dass sie mit allem einverstanden waren und hoffe, dass alles in Deinem Sinne geschehen ist. Achim, danke für Dich. Du warst ein besonders wertvoller Mensch. Vielleicht erwartest Du uns an der großen Pforte, durch die auch wir noch gehen müssen.
Stuttgart, 1 Mai 2008, Alfred